Meine Stillgeschichte
von Petra Payrits

Ich schreibe meine Stillgeschichte auf um anderen Müttern Mut zu machen, die sich vielleicht in einer ähnlichen Situation befinden, in der ich damals war. 

Nach einer komplikationsträchtigen Schwangerschaft kam unsere Tochter Julia mittels Notsectio am 9. August 2000 in der 26 + 0 SSW zur Welt. Sie war 910 g schwer und 36 cm lang. 

Nach der Operation lag ich also wieder in meinem Zimmer, unser Kind auf der Neonatologie am anderen Ende des Hauses. Alles was ich von Julia wußte war, dass es ihr den Umständen entsprechend gut ging – und ein Foto hatte ich von ihr.  Neuigkeiten erfuhr ich anfangs nur durch meinen Mann weil es mir am ersten Tag einfach nicht möglich war, die "weite Reise" zur "Neo" zu machen. 

Am 1. Tag nach der Operation kam eine Schwester und brachte mir eine elektrische Milchpumpe. Sie erklärte mir wie sie funktioniert und meinte es wäre am besten, wenn ich regelmäßig alle 4 Stunden abpumpen würde.

Gesagt – getan.

Ich pumpte also jeweils um 6, 10, 14, 18, 22 und 2 Uhr ab – immer 3 x 5 Minuten mit jeweils ca. 1 Minute Pause.

Bereits die ersten Pumpversuche brachten mehr Erfolg als erwartet – zumindest sagten das die Schwestern im Kinderzimmer, denen ich immer die frisch abgepumpte Milch zum Einfrieren brachte.

Nun konnte ich mir auch erklären, warum ich schon die letzten 2 Monate meiner Schwangerschaft nicht mehr ohne Stilleinlagen aus dem Haus gehen konnte weil schon so viel Vormilch auslief.

Am 2. Tag nach der Operation kam dann der richtige Milcheinschuss.

Dieser Tag war zugleich auch der Anfang der Muttermilch-Ernährung unserer kleinen Julia.

Um 21 Uhr bekam sie zum ersten Mal 1 ml (damalige Menge pro Mahlzeit) davon – ich war überglücklich!!

In weiterer Folge zeigte sich, dass sie die Muttermilch um vieles besser vertrug als die Frühchen-Fertignahrung und so dauerte es nicht lange, bis alle 8 Mahlzeiten nur mehr aus Muttermilch bestanden – gesteigert von 1 ml aufwärts.

Meine Milchmenge wurde immer größer, das Gefrierfach im Kinderzimmer wurde schön langsam zu klein und so mußte mein Mann mit Kühlakkus kommen und die Milchpäckchen zu uns nach Hause auslagern.

Am 9. Tag nach der Operation durfte ich das Krankenhaus verlassen. Über einen Verordnungsschein hatte ich mir für zuhause eine elektrische Milchpumpe organisiert und so ließ sich auch dort der 4-Stunden-Rhythmus problemlos fortsetzen.  Problemlos ist allerdings gut gesagt – mit dem Abpumpen allein war es ja plötzlich nicht mehr getan. Es war ja niemand da, dem ich die abgepumpte Milch einfach in die Hand drücken konnte. Ich mußte sie nun selbst in sterile Plastiksäckchen umfüllen, diese verschließen, was am Anfang gar nicht so einfach ist und dann noch die Pumpgläser sterilisieren weil ich sie ja für den nächsten Pumpvorgang wieder brauchte. Alles in allem dauerte dieser Vorgang ca. 45 Min. – der Rekord lag bei 37 Minuten (gemessen beim Pumpvorgang um 2 Uhr früh um nicht einzuschlafen).

Tagsüber war es zwar um vieles leichter, aber da stellten sich dafür dann andere Probleme: zum Beispiel das Einkaufen. Es ist gar nicht so leicht, sich in der verbliebenen Zeit zwischen den Pumpvorgängen ins Auto zu setzen, in einen Supermarkt zu fahren, manchmal auch in zwei wenn man bei einem nicht alles bekommt, sich mit vielen Leuten an der Kasse anzustellen und dann noch rechtzeitig zum nächsten Pumpvorgang wieder zuhause zu sein.

Aber der Gedanke an unsere kleine Julia, die schon soviel Lebenswillen zeigte, ließ mich das alles leichter ertragen.

Nach ca. 2 Wochen kam er erste – zwar immer befürchtete aber eigentlich doch nie erwartete – Milchstau. Ich produzierte mittlerweile eine Tagesmenge von ca. 1,5 l und das machte mich entsprechend müde, hungrig und ich fühlte mich total unförmig. Auf dem Bauch konnte ich auch nicht liegen.

Ich weiß es noch ganz genau: wir wollten wegfahren und so pumpte ich die 18-Uhr-Ration schon um 17 Uhr ab. "Ist ja wohl nicht so tragisch", dachte ich mir. Als wir zurückkamen klingelte an der Tür – die Nachbarn kamen auf einen Drink. Die Runde war so gemütlich, dass ich also um 22 Uhr überhaupt keine Lust hatte, mich vor die Pumpe zu setzen und so war es schließlich 23 Uhr bis ich abpumpte.

Aber bereits um 2 Uhr früh bekam ich die Rechnung für meine "Schlamperei" präsentiert: Meine rechte Brust schmerzte entsetzlich – ich konnte sie nicht einmal berühren so weh tat sie. Außerdem war sie ganz hart und heiß. Na gut – her mit dem ersten Topfenwickel. Es wäre ja alles kein Problem gewesen, hätten wir Topfen im Kühlschrank gehabt. Aber so - ich mußte also warten bis in der Früh der Bäcker aufsperrte. Aber weder bei dem noch in einem anderen Geschäft in unserer Nähe konnte ich den Topfen bekommen. Ich fühlte mich wirklich mies.

So suchte ich Rat im Mütterheim. Dort wurde mir gesagt, dass ich wohl doch den 4-Stunden-Rhythmus genau einhalten müsse, weil ich einfach so viel Milch hatte, dass es zu gefährlich wäre mal eine Stunde früher oder später abzupumpen. Ich bekam einen Synto-Spray und pumpte meine schmerzende Brust komplett leer. Danach fühlte ich mich um vieles besser.

Mein Mann hatte mir inzwischen den Topfen besorgt und eine Reserve gleich dazu und nach ca. 1,5 Tagen ging es mir wieder gut.

Ich schwor mir, dass mir so etwas nicht mehr passieren würde!!

Ganz genau hielt ich nun die Pumpzeiten ein.

Unsere Julia entwickelte sich über die Maßen gut. Sie nahm sogar mehr zu, als den Ärzten lieb war. Man rechnet bei Frühchen mit ca. 10 g pro Tag, unsere Julia aber nahm zwischen 20 und 30 g pro Tag zu – ernährt wurde sie mittlerweile ausschließlich mit meiner Milch.

Schon bald starteten die ersten Trinkversuche mit dem Fläschchen und auch hier zeigte sich, dass unsere kleine Julia offensichtlich ein "Naturtalent" war: Sie konnte Saugen, Schlucken und Atmen eigentlich sofort erstaunlich gut koordinieren, was eigentlich niemand so wirklich geglaubt hatte. Bei einem Gewicht von 1.380 g wurde die Sonde entfernt und schon bald begannen wir auch mit den ersten Stillversuchen.

Nun hatten Julia und ich aber wirklich ein Problem: ihr Mund war noch so klein, dass sie die Brustwarze nicht wirklich fassen konnte. Zum Glück gab es Stillhütchen mit deren Hilfe es nach wenigen Fehlversuchen doch recht bald klappte und Julia mühelos alle Mahlzeiten direkt von der Brust trinken konnte.

Mit 1.480 g entschieden die Ärzte, dass sie ab jetzt trinken durfte wann und wieviel sie wollte. Die erste Mahlzeit umfasste 100 ml (Sollmenge vorher war 27 ml!!).

Nun war es aber so, dass meine Milchmenge immer noch um vieles mehr war als unsere Tochter tatsächlich trank und so pumpte ich weiter ab und fror die Milch ein. Mittlerweile hatten wir auch schon unsere Verwandtschaft mit Milch "beliefert", weil bei einer Tagesmenge von ca. 1,8 l in unserer Gefrierkombi schlicht und einfach kein Platz mehr war.

Ich versuchte also auf Anraten der Schwestern in der Neo zunächst einmal den nächtlichen Pumpvorgang um 2 Uhr zu streichen – mit dem Ergebnis, dass ich gleich den nächsten Milchstau hatte. Aber mit derselben Prozedur wie beim ersten bekam ich auch diesen innerhalb kurzer Zeit in den Griff.

Nach einigen Wochen war es soweit, dass ich nachts nicht mehr in einem "Milchbett" aufwachte und alles nass war und ich nach langer Zeit wieder die ersten erholsamen Nächte hatte in denen ich durchschlafen konnte. Auf dem Bauch konnte ich zwar nach wie vor nicht liegen, aber die Lebensqualität hatte sich doch deutlich verbessert.

Für meine kleine Julia stand ich nun täglich von 8 – 22 Uhr auf Abruf bereit um sie zu stillen wenn sie Hunger hatte – dann musste es allerdings sehr schnell gehen weil sie innerhalb kürzester Zeit in lautstarkes Geschrei ausbrach und durch nichts mehr zu beruhigen war – auch nicht durch einen Schnuller, den sie übrigens auch heute noch absolut verweigert. Hier muss ich allerdings gestehen, dass ich enorm im Vorteil gegenüber anderen Müttern war weil wir direkt gegenüber dem Krankenhaus wohnen.

Julia trank wirklich von Tag zu Tag braver und teilweise so unglaubliche Mengen, dass alle auf der Station nur noch den Kopf schüttelten und manchmal auch mit kleiner Sorge ihren riesigen Bauch betrachteten.

Jetzt mussten wir eigentlich nur noch warten, dass sie noch ein bißchen größer wurde und dann stand einer Entlassung wohl nichts mehr im Wege.

Wir hatten nur noch ein kleines Problem: die Stillhütchen. Sie waren für Julia schon so zu Gewohnheit geworden, dass sie in ohrenbetäubendes Zorngeschrei ausbrach sobald ich versuchte, sie ohne die Hütchen anzulegen.

"Also gut", dachte ich, "dann trinken wir eben MIT den Hütchen". Eigentlich war doch das Wichtigste, dass sie überhaupt von der Brust trank. Ob MIT oder OHNE Hütchen war in diesem Fall eher zweitrangig. Insgeheim wünschte ich mir natürlich schon sehr, dass wir es doch irgendwann einmal OHNE schaffen würden.

Die Schwestern der Station, die doch wohl schon einige Erfahrung mit stillenden Müttern hatten, meinten, es wäre sehr, sehr schwierig einem Kind die Stillhütchen wieder abzugewöhnen und so machte ich mir nicht allzuviel Hoffnung, dass mir das wirklich gelingen würde.

Genau 2 Monate nach der Geburt durfte ich unsere Julia nach Hause holen (9. 10. 2000).

Anfang November machte ich mit Julia den ersten größeren Ausflug nach OÖ – zu meiner Mutter.

Bereits am ersten Tag passierte etwas völlig Verblüffendes – verblüffend deshalb weil ich überhaupt nicht damit gerechnet hatte.

Mangels einer Babybadewanne nahm ich Julia mit Hilfe meiner Mutter zu mir in die große Badewanne.

Plötzlich brach der Hunger aus – und was für einer noch dazu!

So, jetzt war die Misere perfekt – die Stillhütchen lagen irgendwo – weit weg von der Badewanne auf jeden Fall. Also musste es wohl oder übel OHNE gehen – und was soll ich sagen: ES GING – und seither brauchten wir nie wieder ein Stillhütchen.

Ich habe unsere Julia 8 Monate voll gestillt, dann schön langsam mit der Beikost angefangen und mit etwas über 1 Jahr abgestillt – dieser Zeitpunkt war für uns beide optimal.

Sicherlich müssen viele Faktoren zusammenspielen damit sich ein Kind SO komplikationslos entwickelt wie unseres, aber ich persönlich bin davon überzeugt, dass die Muttermilch ein durch nichts ersetzbarer Bestandteil in der Entwicklung unserer Julia war.

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© 2007 GuFe



 

 

 


 

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